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Gerardo Rueda, IN ROM, Barbara Rose
Gerardo Rueda, ein moderner bildhauer in einem klassischen umfeld, Barbara Rose


Barbara Rose

Professorin für Kunstgeschichte
Mitarbeiterin des Wall Street Journals




RUEDA IN ROM

Seit dem Augenblick, an dem Rom beschlossen hatte, international renommierte Bildhauer einzuladen, um ihre Werke in den historischen Ruinen des Alten Roms auszustellen, schien für diese Herausforderung kein anderer Künstler geeigneter zu sein als Gerardo Rueda, der erste spanische Künstler, dem die posthume Ehre widerfahren ist, diese Einladung zu erhalten. Die Reliefs, Modelle der Skulpturen und monumentalen Werke Ruedas, die jetzt majestätisch die Räume der Märkte des Kaisers Trajan belegen (wobei es der Zufall will, dass Trajan in Spanien geboren wurde, als das Land eine Kolonie Roms war), passen sich in außerordentlich harmonischer Weise in die alten Strukturen des jüngst eingeweihten Kaiserlichen Forums ein.

Rueda erlebte im Laufe seines Lebens eine Art Liebesgeschichte mit Italien und seiner glorreichen Vergangenheit. Als er noch ein junger Künstler im Alter von 24 Jahren war, vertrat er Spanien im Jahre 1960 auf der Bienale in Venedig. Er besuchte Veneto und war angesichts des majestätischen Aussehens der Häuser des Cinquecento de Palladio beeindruckt, deren klassische Formen viele architektonische Elemente beeinflussten, die später Zugang zu seinen Bildhauereien fanden. Er hat bei verschiedenen Gelegenheiten in Italien ausgestellt und unternahm später zahlreiche Reisen, um die archäologischen Überreste sowie die Meisterwerke von Künstlern der Renaissance wie Piero della Francesca und Uccello, sein bevorzugter Künstler, zu sehen. Seine monumentalen geometrischen Formen wurden zur Grundlage seines eleganten Stils der modernen Abstraktion. Die nüchternen klassischen und universellen Volumina begleiteten ihn während seines ganzen Lebens genauso, wie das mit der Monumentalität und den perfekten Proportionen der römischen Architektur und Bildhauerei der Fall war.

Daher erscheint es also geeignet, dass die majestätischen Räume des Trajansforums jetzt eine Ausstellung der Skulpturen Ruedas unter der Schirmherrschaft der Stadt Rom beherbergen. Die Kunst des Alten Roms und die Malerei der Renaissance waren jedoch nicht die einzigen Einflüsse auf Rueda. Als er 1964 in Bologna ausstellte, entdeckte er das mystische Stillleben Giorgio Morandis, dessen ausgefeilter Stil die Elemente der Malerei auf ihre Essenz reduzierte. Das Stillleben Morandis hatte aufgrund der Verwendung von gewöhnlichen Objekten viel gemein mit den spanischen Bodegones, was zum Zweck hatte, eine stumme Betrachtung anzuregen.

Rueda teilte den Wunsch Morandis, mystische Erfahrungen zu schaffen, die auf dem Gefühl und Eindruck der ständigen und ewigen Ordnung und Harmonie aufbauen. Die Aufnahme in die jetzige Ausstellung seines Werkes Zu Ehren Morandis, ein Tisch mit Gegenständen, die an Flaschen und Tassen aus gegossener Bronze erinnern, lässt die Bewunderung erkennen, die Rueda für die Sichtweise des Künstlers aus Bologna empfand, der die klassischen Werte in moderne Kunstbegriffe übertrug. Da Rueda auch Experimente mit dem Kubismus und dem Konstruktivismus angestellt hat, kam er auf den Gedanken der Geometrie als eine lingua franca, die das Zeitliche und die Einzelkulturen überwindet und in der Lage ist, dauerhafte Werte in einer universellen Sprache zu vermitteln, die wie im Falle des ambitiösen Architekten der Trajansmärkte in der Zukunft so fortwährend und klar sein werden, wie sie es in der Vergangenheit waren.

Geht man von der Geometrie aus, die die Inspirationsquelle der gesamten klassischen Kunst ist, so war Rueda in der Lage, einen kohärenten Stil zu kreieren, dessen Fortdauer in den Skulpturen sichtbar wird, die jetzt in Rom ausgestellt werden und die das letzte Lebensjahrzehnt Ruedas beherrschten (er starb plötzlich im Jahre 1996, als er 70 Jahre alt war). Sie bringen seine kulturellen und ethischen Werte ebenso wie sein immer stärker werdendes Engagement für die monumentale öffentliche Kunst zum Ausdruck. Rueda, der einer der angesehenen ausgewählten Künstler war, um Skulpturen für das 1973 eingerichtete Freilichtmuseum moderner Bildhauereien an der Madrider Hauptallee Paseo de la Castellana zu kreieren, fühlte sich immer mehr von der Herausforderung angesprochen, Kunst nicht für Museen zu schaffen, sondern für die gewöhnlichen Menschen, damit die Kunst in der gleichen Weise betrachtet werde wie die Alte Kunst in den kaiserlichen Foren Roms: als Teil des täglichen Lebens. Er begann daraufhin mit der Anfertigung von Modellen aus Holz, Chrom oder Bronze, die dazu gedacht waren, sich später in monumentale öffentliche Werke großen Formats zu verwandeln, die in Parkanlagen und städtischen Umfeldern gezeigt werden sollten.

Sein Traum, großformatige öffentliche Kunst zu schaffen, wurde schließlich erfüllt, als er den Wettbewerb für die Anfertigung großer Bronzetüren für den spanischen Pavillon auf der Expo ´92 gewann. Auf den Trajansmärkten werden Modelle des Projektes ausgestellt, deren kunsthandwerkliche Oberfläche sowohl die Muster der Malerei Paul Klees als auch die Licht- und Schattenspiele widerspiegelt, die die alten Römer bei den Elementen ihrer ausgeklügelten Architektur verwendeten. Die Erfahrung mit der Schaffung von großformatigen Bronzeskulpturen verstärkte Ruedas Wunsch, die Modelle, die er für die öffentlichen Skulpturen entwickelt hatte, in der vorgesehenen Größe verwirklicht zu sehen.

Genauso wie seine Bilder, Zeichnungen und Collagen waren die Modelle seiner Skulpturen hauptsächlich nicht nur geometrisch, sondern auch architektonisch, und zwar so weit, dass sie tatsächlich alle architektonischen Bestandteile aufweisen, wie zum Beispiel im Falle der klassischen Säule zur Ehrung Arthur Rubinsteins, ein klassischer Musiker, den Rueda bewunderte. Zu den Errungenschaften Ruedas gehört seine Fähigkeit, die klassischen Proportionen und Formen in eine streng moderne Sprache zu übersetzen. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Wahl auf seine Kunst fiel, um die Skulpturenausstellungen von Richard Serra und Anthony Caro auf den Trajansmärkten fortzusetzen.

Das Gefühl Ruedas für die maßstabsgerechte Auslegung war perfekt. Egal, wie groß seine Werke werden sollten, so scheinen sie alle immer monumental zu sein. Den Stil eines Künstlers als klassisch zu etikettieren, ist nicht unbedingt ein Beweis für das Interesse am Altertum als Vorbild; es bezieht sich eher auf eine Einstellung zur Formgebung, die das Monumentale und harmonische Strukturen sucht, die im allgemeinen auf der Geometrie aufbaut. Das Interesse Ruedas an den architektonischen Formen wird selbst bei seinen ersten Zeichnungen und Gemälden offensichtlich, die mehr die Gebäude als die Menschen oder das Stillleben als Ausgangspunkt haben. Für ihn war die Geometrie nicht nur eine bevorzugte Form, sondern ein Muss, denn sie stellte für ihn das Gefühl der Ordnung in einer Welt der Zufälligkeiten dar, also ein stabiles und unveränderliches System der Werte und Beziehungen, das dauerhaft und objektiv ist und nicht vergänglich und subjektiv. Um dieses Ziel zu erreichen, verwendete er allgemeingültige Formen und gewöhnliche und gewohnte Gegenstände.

Seine Werke scheinen immer monumental zu sein, unabhängig von ihrer tatsächlichen Größe. Sein malerischer, aber auch sein bildhauerischer Stil ist auf der Befassung mit der Struktur und der Ordnung, der Harmonie und des Gleichgewichts begründet. Als Künstler der großen Kunst achtete und studierte er die verschiedenen Epochen der Kunst der Vergangenheit und fand in ihr zahlreiche Inspirationsquellen für seine Kunst, die tiefgreifend modern ist.