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Gerardo Rueda, IN ROM, Barbara Rose
Gerardo Rueda, ein moderner bildhauer in einem klassischen umfeld, Barbara Rose


Barbara Rose

Professorin für Kunstgeschichte
Mitarbeiterin des Wall Street Journals




GERARDO RUEDA: EIN MODERNER BILDHAUER IN EINEM KLASSISCHEN UMFELD

Als junger Mensch erforschte Gerardo Rueda die Ruinen des klassischen Roms zum ersten Mal und war fasziniert, konnte sich aber damals noch nicht vorstellen, dass sein eigenes Werk später genau neben den Fragmenten des Altertums betrachtet würde, die in den jüngst restaurierten Trajansmärkten aufbewahrt werden. Als Rom von seinen Kaisern regiert wurde, waren die öffentlichen Bildhauereien nicht abstrakt wie die von Rueda, sondern eher figurativ, und sie dienten eher dazu, die Macht und die Eroberungen des Kaisers zur Schau zu stellen, der die Skulpturen in Auftrag gegeben hatte. Manche seiner Bildhauereien hat Rueda so konzipiert, dass sie in öffentlichen Freiräumen betrachtet werden können und nicht in Museen, wenngleich die jetzige Ausstellung in Rom viele Modelle der Stücke beinhaltet, die in voller Größe zu sehen sind und die in Parks, an städtischen Autobahnen und an der Strandpromenade in Valencia im Freien mit dem Himmel als Hintergrund zu sehen waren.

Diese Werke im Umfeld des kaiserlichen Roms betrachten zu können, gibt ihnen einen ganz anderen Kontext, der die Perspektive des Betrachters ändert und dazu anregt, über die Analogie nachzudenken, die zwischen den geometrischen architektonischen Formen und den Bögen und rechten Winkeln des klassischen Bereichs der Märkte besteht. Der Unterschied zwischen der Größe selbst der monumentalsten Bildhauereien, die in der Gegenwart für öffentliche Räume geschaffen wurden, und den Werken wie des überwältigenden Reiterstandbildes, das Trajan von sich selbst inmitten des riesigen Gebäudes aufstellen ließ, dessen Bau er veranlasste, um der Eroberung der Daker zu gedenken, also der Bewohner des heutigen Rumäniens, lässt erkennen, wie sich die Rolle der öffentlichen Kunst der Gegenwart gegenüber der des kaiserlichen Roms verändert hat, die seinerzeit nach dem Gesichtspunkt entschieden wurde, die bekannte Welt der Herrschaft Roms unterzuordnen. Während die damaligen Kaiser versuchten, die Kunst als Zeichen ihrer Macht und Vorherrschaft zu nutzen, oftmals in überschwänglicher Größe, setzt sich ein Künstler der Gegenwart wie Rueda zum Ziel, eine Kommunikation mit der demokratischen Öffentlichkeit herzustellen.

In der Zeit, in der Trajan geboren wurde, also im Jahre 53 vor Christus (er kam in Italica zur Welt, in der Nähe des heutigen Sevillas) hatten die Römer bereits Spanien erobert, das damit zu einer römischen Kolonie geworden war. Nachdem Trajan Osteuropa unterworfen hatte, feierte er seinen Sieg durch den Bau des Gebäudekomplexes und der Märkte in der Nähe des Kolosseums, ein Gelände, das heute als die Trajansmärkte bekannt ist. Sein Ziel war es, alle früheren kaiserlichen Foren in Größe und Schönheit zu übertreffen. Zu diesem Zweck verpflichtete er den bekanntesten Architekten seiner Zeit, Apollodor von Damaskus, dessen Modell es erforderlich machte, die Basis des Qurinal-Hügels zu entfernen, damit der Markt von Trajan und die Säule, die seine Siege darstellte, die Stadt beherrschen konnten.

Heute, nach mehreren Jahrzehnten der Restaurierung, sind die Trajansmärkte eines der hervorragendsten und am besten erhaltenen Baudenkmäler der Alten Welt. Die Bildhauereien und Modelle Ruedas sind über die drei Etagen verteilt, die die Märkte des Trajan bilden, die halbkreisförmig gestaltet sind und im Erdgeschoss einen riesigen Platz beherbergen, über den sich die Bürger Roms bewegten. Die Bogenhalle, die das Erdgeschoss und den ersten Stock umfasst, gibt den Märkten mit ihren zahlreichen Bögen das Aussehen einer riesigen Basilika. An einem der Eingänge befindet sich die Säule mit Bildhauereien, die Szenen aus den Schlachten darstellen. Die Säule wurde von Trajan in Auftrag gegeben, um seine Siege zu feiern. Sie besteht aus 19 Carrara-Marmorblöcken, beherrscht das kaiserliche Forum genauso wie Trajan seinerzeit Europa beherrschte. (...) Versammlungen und Geschäfte sowie verschiedene Ehrungen für berühmte Bürger.

In diesem Gebäudebereich diskutierten die Politiker, versammelten sich die Bürger, führten Gespräche und stimmten ab; die Priester boten ihre Opfergaben dar, und die siegreichen Generale marschierten zu Pferde in Richtung Capitol. Bei besonderen Gelegenheiten gab es sogar Gladiatoren, die unter den Blicken der auf provisorischen Holztribünen sitzenden Zuschauer um Leben und Tod kämpften.

Trajan schuf allerdings mehr als Räume für die öffentlichen Angelegenheiten Roms; gleichzeitig ließ er ein Denkmal für sich selbst und den Ruhm des Kaiserreiches errichten. Alleine der offene Bereich, der 80 Meter breit und 120 Meter lang ist, war groß genug, um fast das gesamte Forum Augustus aufzunehmen. Trajan selbst wurde durch ein großes Reiterstandbild verewigt, das aus Bronze geschmiedet und vergoldet auf einem Podest in der Mitte des Platzes aufgestellt wurde. Die Statue war so groß, dass die späteren Regierenden es nicht schafften, ihr gleich zu kommen. Die Basis dieser Statue wurde erst vor kurzem in der Mitte des Forumsplatzes entdeckt, und ihre Maße vermitteln uns einen Eindruck von der Größe des Pferdes, das Konstantin nachbilden wollte: Pferd und Reiter zusammen (ohne die Basis einzubeziehen) könnten die stattliche Höhe von 12 Metern erreicht haben.

Die Märkte, die zwischen 100 und 110 v. Chr. erbaut wurden, bestanden im wesentlichen aus einem Geschäftszentrum mit von diesem unabhängigen Bereichen für verschiedene Aktivitäten. Dazu gehörte auch ein Ausgabezentrum für die kostenlose Verteilung von Getreide an die Bevölkerung Roms. Die oberen Etagen des Marktes dienten als Büros. Im unteren Bereich vor dem Trajansforum befanden sich verschiedene Geschäfte, die Öl, Wein, Fisch, verschiedene Lebensmittel, Obst und Gemüse feilboten. Es gab auch Tavernen in den offenen Räumen, in denen sich jetzt die Bildhauereien aus rostfreiem Stahl von Rueda befinden, die aber trotz des riesigen Baus aus Steinen und Beton in keiner Weise unbemerkt bleiben.

Der zentrale Bereich ist mit einer riesigen Kuppel aus Beton abgedeckt, die auf Pfeiler gestützt ist, die aber nicht nur abdeckt, sondern auch gestattet, dass Luft und Licht über die umlaufende Bogenhalle eindringen kann, die das Erdgeschoss und die erste Etage mit zahlreichen Bögen umrahmt, die die früheren Märkte wie eine riesige Basilika aussehen lassen und in welchen sich die geometrischen Strukturen Ruedas mit den alten bildhauerischen und architektonischen Fragmenten des ursprünglichen archäologischen Fundes abwechseln. Heute bieten die einstigen Geschäfte und Gaststätten einen spektakulären Hintergrund für temporäre Kunstausstellungen der bedeutendsten Bildhauer der Welt. Gerardo Rueda, der erste spanische Künstler, der ausgewählt worden ist, um seine Werke in der bekanntesten Enklave Roms zu zeigen, folgt dem englischen Meister Anthony Caro und dem allbekannten Bildhauer Richard Serra aus den USA. Jeder von ihnen hat eine andere Beziehung zu diesen vor über 2000 Jahren geschaffenen Räumen aufgebaut. Jetzt stechen die Werke Gerardo Ruedas zwischen den verfallenen Backsteinwänden der Trajansmärkte hervor. Innerhalb der Nischen, in welchen einst verschiedene Märkte von Fachhändlern untergebracht waren, kann man nun die Skulpturen Ruedas sehen, wobei 14 von ihnen eine Leihgabe des IVAM Valencia sind. Wenn man diese in den Nischen sowie in den halbkreisförmigen Gängen betrachtet, ist die Wirkung anders als die, die in Parkanlagen oder städtischen Landschaften oder gar mit dem Meer als Hintergrund erzielt wird. Unter dem intensiven Licht des Mittags zeichnen sich die geometrischen Konturen im Kontrast zum Himmel Roms ganz klar ab. Nachts werden die dunklen Nischen mit Scheinwerfern erhellt, die den Kontrast zwischen den vertieften und hervorstehenden Bereichen der Skulpturen hervorheben. Die Möglichkeit, diese Werke in einem so wechselnden Umfeld betrachten zu können, erlaubt, ihre Komplexität und ihre optische Wirkung auf unterschiedliche Weise wahrzunehmen.